Das kennen wir wohl alle: Manchmal ist es schwer, verdammt schwer, nachsichtig mit sich selbst zu sein. Die Last der Erwartungen bewirkt, dass wir uns selbst äußerst ungnädig beurteilen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob diese Erwartungen selbst gesteckt oder von außen an uns herangetragen, bewusst oder verborgen sind. Wir könnten ja immer noch besser sein: verfügbare Zeit effektiver nutzen, entschlossener sein, gelassener und schöner sowieso, mehr Sport, mehr Obst, mehr To-dos, netter zu den Kindern und erfolgreicher im Beruf.
Hohe Ansprüche von uns an uns haben zur Folge, dass wir uns als unvollkommene, nicht in allen Potenzialen realisierte Versionen unseres Selbst betrachten. Darüber gerät leicht aus dem Blick, was wir können, haben und – sind. Und dass das schon sehr viel ist. Dabei ist die Gewissheit, gut genug zu sein (so wie man ist, jetzt gerade, in diesem Augenblick – nicht erst nach der Diät, der erfolgreichen Implementierung des Getting-Things-Done-Prinzips oder der nächsten Kreativitätstechniken-Schulung), eine der Voraussetzungen für ein glückliches Leben.
Eine solche Haltung, den milden, freundschaftlichen Blick auf sich selbst, kann man üben. Es ist nicht immer einfach. Schließlich kämpft man nicht nur gegen gesellschaftliche Vorgaben – Leistung vor Glück – sondern auch gegen oft tief im Unbewussten vergrabene und dadurch umso „glaubhafter“ wirkende Dogmen und Wertungen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten. Erstens: schon der Versuch, sich selbst wohlwollender zu begegnen, trägt dazu bei, die innere Haltung ein wenig zu verändern. Und zweitens: Schreiben hilft. Genauer gesagt, das selbstreflektierende, unzensierte, kreative Schreiben, wie Du es auch in unseren wandern und schreiben-Workshops lernen und praktizieren kannst.
Wie funktioniert das? In unseren Workshops leiten wir dazu an, frei und spielerisch über sich selbst zu schreiben. Mal eine freie Wortwolke, mal mit strengen formalen Vorgaben, mal in epischer Länge, als Dialog oder ganz kurz und kondensiert. Wunderbarerweise führen alle Texte – so frei, formal gebunden, direkt oder metaphorisch verschlüsselt sie sein mögen – immer wieder direkt zum „Eigenen“. Durch die besondere Schriftform ist es möglich, vom Selbst einen Schritt zurückzutreten und einen klareren Blick darauf zu gewinnen. So auch bei der überkritischen, ungnädigen Haltung, mit der man sich selbst oft begegnet. Schreiben bietet die Möglichkeit, eine solche Haltung nicht länger als naturgegeben, sondern als angenommen wahrzunehmen. Mit dieser Erkenntnis eröffnet sich plötzlich ein Feld für mögliche Veränderungen. Und dieses Feld kann in weiteren Schreibübungen erkundet und bespielt werden. So kann einen das Schreiben dabei unterstützen, sich in der wohlwollenden Selbstannahme zu üben. Sich selbst so anzunehmen, wie man ist, bedeutet nicht, blindlings mit allem zufrieden zu sein und jeglichen Ehrgeiz aufzugeben. Aber Wohlwollen gegenüber sich selbst kann einen zufriedener, stärker, zuversichtlicher und glücklicher machen – und vergrößert so die Spielräume und Möglichkeiten, die man hat.