Kreative Arbeit – ganz gleich ob schreibend, musikalisch oder bildnerisch, ob professionell oder als Amateur – ist oft beglückend. Leicht fällt sie oft dennoch nicht. Damit kreative Funken sprühen, müssen die Feinde kreativer Arbeit (Zweifel, Neurosen, lästiger Alltagskram) in Schach gehalten werden. Dabei helfen Disziplin, Geduld und – Rituale. Zwei sehr schöne Bücher berichten davon, wie etablierte Kreative das so machen. Die Lektüre ist inspirierend und aufmunternd zugleich.
Die etwas selbstgebastelt wirkende Covergrafik (pardon!) der Anthologie Schreibrituale tut diesem Buch Unrecht. In dem innen schön gestalteten Band zeigen fünfzig Kreative, wie sie das so angehen mit ihrer Arbeit. Die meisten leben in Österreich oder stammen von dort, viele sind Schreibende, es gibt aber auch bildende Künstlerinnen und Künstler. Einige – wie Friederike Mayröcker oder Eugen Gomringer –, sehr bekannt, andere eher Geheimtipps. Das Besondere: alle geben mit ihren eigenen Ausdrucksmitteln Auskunft über ihre kreativen Rituale. Man findet im Buch Essays, Gedichte, Zeichnungen, die wie Schatzkarten aussehen und Fotografien von Alltagsgegenständen oder von Menschen, die am Schreibtisch arbeiten. Die Beiträge nähern sich ihrem quecksilbrigen Gegenstand tastend, neugierig, experimentierend, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmen – und genau dadurch ist das Berichtete echt, inspirierend, ermunternd.
Batya Horn, Elisabeth Wäger (Hrsg.): Schreibrituale. Eine Anthologie.
Edition Splitter, Wien
141 Seiten
Taschenbuch: 24,00 EUR
(Die Titel der Edition Splitter werden nur in Einzelfällen, antiquarisch, bei amazon gelistet, können aber beim Verlag selbst und natürlich vom Buchladen Deines Vertrauens bestellt werden.)
Musenküsse blickt aus der Außenperspektive auf kreatives Tun. In kurzen Kapiteln berichtet Autor Mason Currey gut informiert über die Kreativitätsankurbelungsrituale von etwa achtzig schreibenden, komponierenden und bildenden Kreativen, ein paar Filmleute und Wissenschaftsgrößen sind auch dabei. Die deutsche Ausgabe des amerikanischen Originals (Daily Rituals) wurde nicht nur übersetzt, auch die Auswahl der Porträtierten wurde angepasst. Die Porträts lassen sich gut lesen – genau die richtige Länge für eine kurze Busfahrt oder einen Cappuccino – und wirken gut recherchiert. Das Gelesene verdichtet sich zu dem Wissen, dass Genie-Geistesblitze kein Œuvre schaffen. Erfolgversprechender ist ein rücksichtslos-schrulliger, disziplinierter Lebensstil, bei dem an den einmal erfolgreich etablierten Kreativ-Ritualen stur festgehalten wird.
Mason Currey: Musenküsse. Für mein kreatives Pensum gehe ich unter die Dusche. Die täglichen Rituale berühmter Künstler.
Aus dem Amerikanischen von Anna-Christin Kramer
Kein&Aber, Zürich
256 Seiten
Hardcover: 14,90 EUR
E-Book: 11,99 EUR
Nun musst Du nicht O’Keeffe, Munro oder Grass sein wollen – darüber nachzudenken, und auszuprobieren, welches Dein eigenes wirksames kreatives Ritual sein könnte, lohnt sich aber bestimmt!