Wenn es einen Schriftsteller gibt, auf den die wandern und schreiben-Unterzeile „Schreibwanderungen. Auf den Spuren des Selbst“ haargenau zutrifft, dann ist es wohl Karl Philipp Moritz (* 15. September 1756 in Hameln; † 26. Juni 1793 in Berlin). Er kam aus unerträglichen, von Lieblosigkeit, religiös motivierter Strenge und Enge und Entbehrungen geprägten Verhältnissen. Förderer ermöglichten ihm den Zugang zu Bildung, nach einigen Umwegen über das Theater und ein Theologiestudium wurde er Gymnasiallehrer an Berlins renommierten Grauen Kloster. Er war Freimaurer und hielt Kontakt zu den bedeutendsten Aufklärern seiner Zeit, unter anderem Goethe, der ihn hoch schätzte, und Moses Mendelssohn. Zeitlebens war er ein wenig wunderlich, zeitlebens interessierten ihn Pädagogik und vor allem Psychologie. In seinem großartigen psychologischen Roman Anton Reiser zeichnet er sensibel und offen die harte Lebensgeschichte seines Protagonisten. Und Moritz‘ Magazin zur Erfahrungsseelenkunde gilt mit Fug und Recht als die erste psychologischen Zeitschrift in Deutschland; „Erkenne dich selbst!“ war das programmatische Motto der Publikation. Für Karl Philipp Moritz wie auch seinen Protagonisten Anton Reiser waren lange Spaziergänge und Wanderungen (Über-)Lebensmittel.
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