„Oh, du wanderst? Wie schön! Das würde ich auch gerne tun!“ – so etwas höre ich oft, wenn ich Bekannten von wandern und schreiben oder meinen privaten Wandertouren erzähle. Frage ich nach dem Hinderungsgrund, bekomme ich häufig zur Antwort: „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll“.
Dabei braucht es gar nicht so viele Zutaten für eine gelungene Wanderung. Klar, ein bisschen Organisation ist erforderlich. Schließlich sind Sie einen halben oder ganzen Tag – oder sogar mehrere Tage – draußen unterwegs und müssen gut für sich sorgen. Doch Wandern ist keine Raketenwissenschaft. Wenn Ihnen Bewegung in der Natur gefällt, legen Sie einfach los! Hier finden Sie Tipps, damit der Start ins Wandervogeldasein rundum glückt und glücklich macht.
Realistische Selbsteinschätzung
Der wichtigste Tipp für Wander-Novizen: Versuchen Sie, Ihre Kondition, ihr Können und Ihre Bedürfnisse richtig einzuschätzen. Wenn Sie sich übernehmen, vergeht Ihnen die Freude am Gehen schnell wieder, und unter Umständen bringen Sie sogar sich und Ihre Mitwanderer in Gefahr. (Ich habe erst am Pfingstwochenende einen Notfalleinsatz in einem belebten, nahezu ebenen und halbwegs gut markierten Wandergebiet mitbekommen – es war sehr heiß …)
- Wählen Sie für den Anfang kurze Strecken auf gut ausgebauten Wegen in einfachem Gelände. Was „kurz genug“ ist, wissen Sie selbst besser als jeder Ratgeber – je nach Geländerelief können 5 oder 7 Kilometer schon eine ordentliche Tour sein.
- Fragen Sie vor der Tour den Wetterbericht ab. Regen ist oft nur unangenehm, kann aber auch Wege in Rutschbahnen verwandeln. Bei Hitze sollten Sie früh aufbrechen, Gewitterwarnungen gilt es immer ernst zu nehmen. Im Herbst und Winter können Nebel und plötzlich einsetzender Schneefall die Orientierung stark erschweren.
- Auch auf kürzeren Wanderungen brauchen Sie die Ausrüstungsbasics: Wetterschutz, genug zu trinken, einen Snack – und natürlich gutes Schuhwerk.
- Wenn Sie mit dem Gebrauch von Wanderkarten nicht vertraut sind, wandern Sie anfangs nicht alleine. Schließen Sie sich erfahrenen Bekannten oder einer Wandergruppe an.
Erste Schritte: Wandergruppen
Das Laufen in größeren Gruppen ist nicht jedermanns Sache, doch Sie können dabei enorm viel lernen: Sie bekommen ein Gefühl dafür, welche Strecken Sie gut schaffen, Sie können schöne Wanderregionen und Routen entdecken und natürlich ist so ein fixer Termin auch ein ganz gutes Argument, um dem inneren Schweinehund beizukommen. Wenn Sie eine Karte des durchwanderten Gebiets dabei haben, können Sie versuchen, den Weg „mitzulesen“ und freundliche Mitwanderer fragen, Ihnen dabei zu assistieren. Das ist eine gute Übung für das von vielen gefürchtete Kartenlesen – das in Wirklichkeit übrigens gar nicht so schwierig ist, wie es scheint.
Inzwischen ist das Wandern in Gruppen auch nicht mehr die Domäne rüstiger Pensionäre. Es gibt Wandergruppen für Leute jeden Alters und jeder Kondition, nur für Frauen, queere Wandergruppen, englischsprachige Wandergruppen, streng organisierte oder eher basisdemokratische Wandertrupps … Zum Vereinsmeier müssen Sie auch nicht gleich werden – viele Wandervereine nehmen auch Nicht-Mitglieder mit auf Tour.
Wo können Sie nach passenden Wandergruppen suchen?
- In fast allen bekannten – oder weniger bekannten – Wandergebieten gibt Regionswandervereine. Beim Deutschen Wanderverband können Sie nach einer Ortsgruppe in ihrer Nähe recherchieren.
- Auch die Sektionen des Deutschen Alpenvereins bieten vielerorts geführte Wanderungen an – nicht nur in den Alpen, sondern auch in Mittelgebirgen und im Umland großer Städte.
- Die gute alte gedruckte Kleinanzeige (oft in Stadtmagazinen) und ihr Online-Pendant, das „Mitwanderer“-Gesuch in Outdoor- und Trekkingforen verhelfen ebenfalls zum erfolgreichen Erstkontakt mit anderen Wanderlustigen.
- Gibt es in Ihrem Ort ein Fachgeschäft für Land- und Wanderkarten oder einen Outdoorladen? Dort finden sich oft Aushänge oder Flyer.
- In Online-Portalen wie Groops oder Meetup organisieren Ehrenamtliche Freizeitgruppen jeder Art und fast überall – für Kneipenbesuche, Flohmarktgänge und eben auch Wanderungen.
- Und: Erzählen Sie Freunden und Bekannten, was Sie vorhaben – vielleicht sind andere Wanderbegeisterte darunter!
Wohin? Schöne Strecken finden
Eine neue Wanderstrecke auszubaldowern, ist für mich eine sehr schöne Tätigkeit, ich mag das vorfreudige Planen. Viele Wander-Neulinge tun sich dabei jedoch schwer. Aber wenn Sie erst einmal wissen, wo Sie wandern wollen (vor der eigenen Haustür oder in einem speziellen Gebiet?), ist das Finden einer schönen Tour gar nicht so kompliziert, denn es gibt zahlreiche „fertige“, gut dokumentierte Routen und Rundwege, denen Sie folgen können. Mit ein wenig Erfahrung sind Sie dann auch in der Lage, eigene Variationen zu finden.
Hier können Sie Tourenvorschläge suchen:
- Die Tourismusbüros der Bundesländer oder Regionen bieten online oft Tourendatenbanken an, viele mit einer guten Suchfunktion – etwa fürs Reiseland Brandenburg oder den Pfälzerwald. Sie können sich von dort meist auch gedrucktes Material schicken lassen.
- Es gibt auch regionsübergreifende Tourenportale, zum Beispiel das Wandermagazin oder Wanderbares Deutschland.
- Bekannte Wanderwege haben oft auch eigene Webauftritte mit detaillierten Infos. Wenn Sie also schon wissen, welcher Weg es sein soll: googeln hilft.
- Natürlich gibt es auch gedruckte Wanderführer. Stöbern Sie ein bisschen im Fachgeschäft! Dort können Sie sich übrigens auch zu neuen Zielen inspirieren lassen: Reisebuchhandlungen haben oft nicht nur wunderbare Naturbildbände, sondern auch Wanderbegeisterte hinterm Verkaufstresen, mit denen Sie fachsimpeln können.
- GPS-Fans finden in verschiedenen Portalen fertige GPS-Tracks: etwa bei GPSies, GPS-Tour-Info, auf Wandermap.net oder den schon erwähnten Tourismusportalen. Doch Vorsicht: GPS-gesteuertes Wandern ist nicht ganz mit einem Autonavi vergleichbar. Eine zusätzliche Karte und grundsätzliches Verständnis, wie man eine Route liest, ist erforderlich – sonst können Sie sich schnell vertun!
Übrigens – die Strecken bei unseren wandern und schreiben-Workshops sind nicht einfach „irgendwo runtergeladen“. Wenn wir einen neuen Workshop konzipieren, sind wir meist mehrere Tage im Gelände unterwegs und stellen eine individuelle Route zusammen, die unsere Schreibübungen gut ergänzt.
Orientierung im Gelände
Auch wenn Sie gut vorbereitet antreten: im Gelände müssen Sie sich immer noch orientieren. Nicht jede verbale Beschreibung (Wanderführer) ist vor Ort gut nachvollziehbar, nicht jede Karte ist eindeutig.
Um alleine loszulegen, wählen Sie am besten erst einmal einen zertifizierten Prädikatswanderweg. Solche Routen sind lückenlos und vom Start zum Ziel einheitlich markiert – hier arbeiten Sie also mit doppeltem Boden und können üben, Kartenbild (oder GPS-Anzeige) und Gelände miteinander abzugleichen. Beim Wanderverband und beim Deutschen Wanderinstitut finden Sie Verzeichnisse der Premiumwege.
Verlaufen kann man sich wirklich überall. Doch allgemein gilt die Regel: Je zivilisationsferner die Wanderregion und je anspruchsvoller das Gelände, desto sicherer muss man sich orientieren können. Wenn Sie also irgendwann eine Fjellwanderung oder einen Hochgebirgstour planen, müssen Sie sicher mit Karte & Co. umgehen können. Einlesen können Sie sich mit Wolfgang Linkes „Klassiker“ Orientierung mit Karte, Kompass, GPS, außerdem gibt es vielerorts spezielle Karten- und GPS-Kurse.
Ein paar Worte zu Rucksack, Schuh & Co …
Damit die Freude am Gehen nicht durch wehe Füße, Frieren oder Rückenschmerzen gedämpft wird, brauchen Sie eine angemessene Ausstattung. Sie müssen nicht gleich die Hochalpen-Abteilung des nächsten Outdoor-Ausrüsters plündern. Aber ein paar Basics machen Ihnen das Wanderleben deutlich leichter.
Erste Orientierung fürs Wander-Shopping:
- Wanderschuhe sollten perfekt passen. Lassen Sie sich im Geschäft beraten (und kaufen Sie netterweise auch da, nicht im Web), probieren Sie an und aus – am besten Abends, wenn die Füße ihre maximale Ausdehnung haben. Nehmen Sie sich Zeit. Kaufen Sie Ihren Wanderschuh eine oder sogar eineinhalb Nummern größer als die normale Schuhgröße. Wirklich. Wenn Sie Einlagen tragen, müssen die beim Anprobieren natürlich in den Schuh.
- Gut gepolsterte, dicke Wandersocken brauchen Sie auch im Sommer, denn sie dämpfen, nehmen Feuchtigkeit auf und transportieren sie vom Fuß weg. Das ist die beste Blasenprävention! Wandersocken sind sehr sinnvoll und sehr teuer. Falls Sie die Ausgabe für spezielle Wandersocken scheuen, wandern Sie lieber mit Ihren Wollsocken statt in Baumwolle. Baumwolle saugt sich voll und trocknet langsam, die Haut bleibt schweißfeucht und wird anfällig für Scheuerstellen.
- Eine gute Regenjacke sollte immer mit. Sie funktioniert auch als Schutz gegen auskühlenden Wind oder sogar als Unterlage, wenn der Untergrund in der Pause etwas feucht ist. Atmungsaktiv sollte die Jacke in jedem Fall sein, sonst werden Sie nur schweißnass statt regennass, und sie sollte dem Reiben von Rucksackriemen widerstehen (im Outdoorgeschäft kann man Ihnen dazu mehr sagen).
- Wer empfindlich gegen Sonne ist, braucht Hut oder Cap. Und natürlich gehört auch Sonnenmilch ins Gepäck.
- Beim Gehen wird Ihnen schnell warm, also kleiden Sie sich nach dem Zwiebelprinzip. Einen etwas wärmeren Pulli für Pausen oder die Heimfahrt brauchen Sie fast immer.
- Bei Herbst- und Winterwanderungen ist die Regulierung von Körpertemperatur und Schwitzen noch wichtiger als im Sommer. Denn nicht die kalte Luft lässt Sie auskühlen, sondern durchgeschwitzte, klamme Kleidung. Während man im Sommer notfalls im Baumwoll-Shirt gehen kann, muss das Zwiebelprinzip bei Kaltwettertouren ausgeklügelter sein. Sie brauchen dann schweißabsorbierendes Unterzeug in Kombination mit wärmenden und atmungsaktiven Kleidungsschichten.
- Trinken ist wichtig! Zwei Liter in zwei separaten Flaschen sollten mit. Es gibt schöne, wieder verwendbare Trinkflaschen aus weichmacher-freiem Kunststoff, Alu oder Edelstahl zu kaufen. Doch die brauchen Sie nicht unbedingt. Wiederverwendete Kunststoff-Saftflaschen tun’s auch. Die kosten nichts, können nach Saisonende, wenn sie gammelig aussehen, weggeworfen werden, und wenn Sie mal eine verlieren, ist es auch kein Drama.
- Für den Fall der Fälle brauchen Sie außerdem Blasenpflaster und eventuell Insektenschutzmittel und eine Zeckenkarte.
- Ein gut passender Rucksack macht das Gehen mit Gepäck angenehmer. Auch hier gilt: anprobieren, ausprobieren.
Diese Liste ist nicht in Stein gemeißelt, sondern liefert erste Anhaltspunkte. In entsprechenden Wander- und Outdoor-Foren können Sie viele Details zu Ausrüstungsfragen erfahren, ebenso wie auf den Webseiten größerer Outdoor-Versender (Stichwort „Kaufberatung“) und natürlich im Outdoor-Geschäft selbst.
Und nun: losgehen! Ab in den Wald, über Wiesen und in die Berge!
Na, das ist wirklich eine beeindruckend strukturierte und durchdachte Anleitung! Aber für Chaoten (wie mich) gibt es noch eine Doofie-Einsteiger-Variante. Man macht einfach einen echt langen Spaziergang. Und alles was man braucht ist: Zeit und im richtigen Moment die Oberhand über den inneren Schweinehund.
Weil keiner ja genau abgrenzen kann, wo Spaziergänge aufhören und „Wandern“ anfängt. Wenn man erstmal drei Stunden im Gelände rumstromert, zwar ohne Notfall-Axt und GPS und Regenjacke aus der NASA-Forschung, aber mit Spaß an der Sache, dann kann man hinterher doch auch sagen, man sei „gewandert“. Na, oder jedenfalls spätestens ab vier Stunden rumstromern und die eine Stunde mehr kann man irgendwo in einer Kneipe absitzen, wenn man eine findet.
Und das hat was, das ziellose, unbegleitete (mit „t“!) Herumlaufen in einer Gegend, die man nicht kennt und die hauptsächlich aus Natur besteht. So jedenfalls meine Erfahrung. Auch wenn man dann vielleicht nur „Ich war hinter Henningsdorf irgendwo im Wald, wo weiß ich nicht, aber irgendwann kam ich zur S-Bahn.“ sagen kann und nicht „Ich hab mal wieder den Appalachian Trail gemacht“. Schön isses auch dort, bei Henningsdorf. Vor allem, wenn man die S-Bahn findet.
Oder nicht?
Da hst du natürlich vollkommen recht, lieber Simon. Einfach losgehen hat auch seinen Reiz. Aber es verfügen nicht alle Menschen über die erforderliche Konstitution und auch nicht über das Nervenkostüm, um ohne Regenzeug und Karte stundenlang im Unterholz zu stromern. Und auf die Rettung durch S-Bahn-Hof und Kneipe kann man sich auch nicht immer verlassen. Mein nachhaltigstes Verlauferlebnis hatte ich übrigens im Grunewald. Ganz stadtnah, haha. Oh, da kann man sich ordentlich verlaufen. Und es wird wirklich, wirklich dunkel im Wald.
Aber auch nur wenn man sich im Wald verläuft und es dort richtig, richtig dunkel wird, kann man darin die wilde Prinzessin besiegen, aus einem „Ich mach Dich Rehlein“-Brunnen trinken, sein Haar in Zauberquellen gülden färben, den magischen Riesen resp. ein Full-Service-All-inclusive-Tischlein finden und schließlicn den armen Drachen küssen, dadurch ent-/bezaubern und zu seiner Mutti zurückbringen, die einem zum Lohn das halbe Reichelt vererbt.
Wer dagegen dank Wanderführer und GPS schon vor Dämmerung wieder sicher daheim ist, muss sich Beruf, Friseur und Lebensabschnittspartnerschaft selbst im Internet zusammengoogeln und das ist deutlich unromantischer.
:-)
Hm, ich finde die Liste super. Das einzige mich störende ist die Sache mit den Plastikflaschen zum Wegwerfen. We have a plastic-planet sozusagen. Besser man kauft sich tatsächlich wieder verwendbare Alu-Flaschen, die man sich locker mit Flaschenbürsten säubern und mittels Sportverschluss oft auch mit Karabinern an den Rucksack hängen kann.
Liebe Silke, auf den ersten Blick klingt dein Einwand gut. Aaber: wenn man eh schon so eine Plasteflasche hat – wieso soll sie nicht noch ein zweites Leben als Wanderpulle fristen, bis sie in den Müll wandert (was sie sonst eh tun würde – ich unterstelle mal, dass es hier die Sorte ist, die nicht recycled wird). Ich meine ja nicht, dass man für jede Wanderung PET-Wasser kaufen soll. Sondern eben eine Plasteflasche wieder verwenden. Und ich wette, für die eh schon vorhandene Plasteflasche sieht die Umweltbilanz besser aus als die der extra beschafften Aluflasche. Zumal grade diese Aluflaschen auch nicht unbegrenzt haltbar sind. Die sind innen beschichtet, und wenn die Flasche eine Beule bekommt, was schneller passiert als gedacht, geht diese Beschichtung ab. Das Getränk kommt dann in direkten Kontakt mit dem Alu. Das möchte man nicht, denn das kann schädlich sein http://www.spektrum.de/wissen/wie-gefaehrlich-ist-aluminium-5-fakten/1300812 Außerdem werden auch gut gepflegte Metallflaschen nach einer Weile öddelig und alles was drin war, hat einen merkwürdigen Beigeschmack.
Und außerdem: Ja, es gibt tolle Aluflaschen, wiederverwendbare, schicke Kunststoffflaschen, die frei von Weichmachern und allem anderen sind, Edelstahlflaschen usw., doch ich finde auch, man muss sich nicht gleich alles kaufen, was die Freizeitzubehörindustrie hergibt. Konsumverzicht ist auch Umweltschutz!